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Dichtpflanzung – das Erfolgsrezept für die Zukunft? |
Vortrag von Herrn Dr. Edgar Müller zur 51. Kreuznacher Wintertagung Die ältere Winzergeneration kennt noch den schweißtreibenden von viel Handarbeit geprägten Weinbau vergangener Zeiten, der von einer hohen Pflanzdichte geprägt war. In Anbetracht der Rationalisierungserfolge, die die Umstellung auf größere Standräume in Verbindung mit moderner Drahtrahmenerziehung und einem dadurch möglich gewordenen hohen Mechanisierungsgrad erreichte, überrascht es, dass auch bei uns zunehmend mehr Betriebe darüber nachdenken, durch höhere Pflanzdichten weiteres Qualitätspotenzial zu erschließen. Wer im Internet recherchiert, stellt fest, dass die Mehrzahl der Konsumenten, Weinerzeuger und Weinvermarkter, die die Thematik aufgreifen, in der Dichtpflanzung ein Synonym und eine Voraussetzung für besonders hohe Weinqualität sehen. Auch die Tatsache, dass in verschiedenen Qualitätsweinregionen der romanischen Weinbauländer Mindestpflanzdichten vorgeschrieben sind, ist dafür ein Indiz. Schon allein die riesige Zahl an Webseiten von Weingütern und weinbaulichen Institutionen sowie die Vielzahl von Beiträgen in Diskussionsforen, die darauf eingehen, belegen, dass es sich offensichtlich um ein brandaktuelles Thema handelt. Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass zwar weitgehende Einmütigkeit im Hinblick auf den qualitätssteigernden Effekt, aber völlige Konfusion bis hin zu widersprüchlichen Einschätzungen im Hinblick auf deren Ursachen besteht. Die anzutreffenden Meinungen deuten an, dass eine höhere Pflanzdichte eine „Konkurrenzsituation“ verschärft, der Auswirkungen auf die Durchwurzelung, die Wuchskraft und die physiologische Stresssituation zugeschrieben werden, ohne das die kausalen Zusammenhänge klar sind. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zur Thematik erlauben es jedoch durchaus, gesicherte Wirkungen abzuleiten, die für die zu erzielende Traubenqualität von großer Bedeutung sein können: Es ist unstrittig, dass der Wuchskraft und dem Stressniveau, dem eine Anlage insbesondere in der Reifephase ausgesetzt ist, eine zentrale Bedeutung für die Traubenqualität zukommt. Eine Vielzahl sowohl positiv wie auch negativ zu wertender physiologischer Vorgänge und Effekte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Wuchskraft und Stress. Die Erzielung einer mittleren Wuchskraft, die –bei normaler Laubwandhöhe zwischen ca. 120 und 140 cm- durch die Notwendigkeit eines ein- bis zweimaligen Laubschnitts gekennzeichnet ist, bildet die Basis aller qualitätsbeeinflussenden Maßnahmen. Das wünschenswerte bzw. tolerierbare Stressniveau in der Reifephase unterscheidet sich stark in Abhängigkeit von der Frage, ob es sich um weiße oder rote Sorten handelt. Während bei Weißwein allenfalls ein geringes bis mäßiges Stressniveau tolerierbar ist, ist bei Rotwein ein mäßiges und –im Falle sehr niedriger Erträge- sogar starkes Stressniveau wünschenswert. Starkwüchsige Anlagen zeigen im Normalfall während der Reifephase kein oder nur ein geringes Stressniveau, während für schwachwüchsige Anlagen das Gegenteil gilt. Die Frage, wie der Standraum die Wuchskraft beeinflusst, bildet daher den Mittelpunkt der Betrachtung: Im Boden führt eine höhere Pflanzdichte zu einer intensiveren, gleichmäßigeren, vor allem aber tieferen Durchwurzelung, sofern die Beschaffenheit des Untergrunds dies zulässt. Das Leistungsvermögen des Bestands im Hinblick auf Wasser- und Nährstoffaufnahme wird dadurch gestärkt. Größere Pflanzdichten machen unter den heutigen Rahmenbedingungen nur dann Sinn, wenn eine weitere Qualitätssteigerung bzw. –sicherung und nicht etwa eine Ertragssteigerung Ziel der Maßnahme sind. Um dies zu erreichen, muss der Anschnitt (Augenzahl/Stock) in dem Maß zurückgeführt werden, wie die Stockzahl ansteigt. Das Anschnittniveau (Augen/m²) bleibt also gleich. Unterstellt man sorgfältige Ausbrecharbeiten, kann man davon ausgehen, dass unter diesen Umständen die Erhöhung der Pflanzdichte keinen großen Einfluss auf die Triebzahl pro Fläche und damit auch die Gescheinszahlen als wichtige Grundlage für Traubenertrag hat. Tatsächlich haben die vorliegenden Untersuchungen gezeigt, dass bei Beibehaltung des Anschnittniveaus die höhere Pflanzdichte nur moderate Auswirkungen auf den Ertrag ausübt. Leichte Ertragssteigerungen sind dabei häufiger anzutreffen als Ertragsminderungen. Die Triebzahl pro Fläche, die Trieblänge und damit einhergehend die Blattmasse (vegetative Belastung des Stocks) stellen Ansprüche an die Wasser- und Nährstoffversorgung. Gleiches gilt für den heranwachsenden Traubenertrag (generative Belastung) Bei sachgemäßer Durchführung (Beibehaltung des Anschnittniveaus) führt in Anbetracht der geschilderten Veränderungen die größere Pflanzdichte dazu, dass die vegetative und generative Belastung pro Stock stärker zurückgeht, als seine Fähigkeit zur Wasser- und Nährstoffaufnahme. Auf die Fläche betrachtet, steht einer für den Wasser- und Nährstoffbedarf relevanten ungefähr gleichbleibenden vegetativen und generativen Belastung ein im Hinblick auf Wasser- und Nährstoffaufnahme leistungsfähigeres Wurzelsystem gegenüber. Das Ergebnis ist eine Wuchsstärkung, die sich in vielen Versuchen belegen lässt. Damit geht in der Regel auch eine Erhöhung des Blatt/Frucht-Verhältnisses einher, die unter schwachwüchsigen Anbaubedingungen die Ursache für eine trotz leichter Ertragssteigerung häufig zu beobachtende leichte Mostgewichtssteigerung darstellt. Die tiefere und intensivere Durchwurzelung in Verbindung mit der höheren Zahl an Wurzelstöcken und Rebstämmen bildet bezogen auf den zu erwartenden Traubenertrag auch ein größeres Depot für Reservestoffe, die Stresssituationen abfedern können. Die Bewertung der geschilderten Effekte hängt davon ab, welches Wuchs- und Stressniveau in Folge dieser Veränderungen erzielt wird. Diese Frage kann nur im Kontext mit allen anderen Faktoren beantwortet werden, die ebenfalls einen Einfluss auf die Wuchs- und Stresssituation ausüben. Dazu gehören z.B. die natürliche Bodenbeschaffenheit, das Bodenpflegesystem, die N-Düngung, die Unterlage, das Anschnittniveau und die –leider nicht kalkulierbare- Witterung. Ist die Konstellation dieser Faktoren so, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwache Wuchskraft und ein hohes Stressniveau erwarten lassen, dann ist der wuchsfördernde und stressmindernde Effekt einer höheren Pflanzdichte begrüßenswert und in der Summe fast immer qualitätssteigernd. Dies lässt sich sowohl anhand der Auswirkungen auf Inhaltsstoffe analytisch nachweisen wie auch sensorisch nachvollziehen. Führt die Dichtpflanzung in Kombination mit den o.g. Faktoren jedoch zu starkwüchsigen, mastigen Beständen, ist eine Qualitätssteigerung nicht zu erwarten. Vor allem in Jahren mit hohem Botrytisdruck und später Reife sind sogar Qualitätsbeeinträchtigungen zu befürchten. In jedem Fall sind dann zusätzliche Maßnahmen erforderlich, die die nachteiligen Wirkungen einer zu hohen Wuchskraft teilweise kompensieren können (z.B. Teilentblätterung, Traubenhalbierung). Im Drahtrahmen ist in Anbetracht der Mechanisierungsanforderungen und der aus Belichtungsgründen notwendigen Relation zwischen Gassenbreite und Laubwandhöhe eine Verringerung der Gassenbreiten kaum erwägenswert. Vielmehr kommt der Variation des Stockabstands die Rolle eines Regulativs zu. Zwar bleibt bei Beibehaltung des Anschnittniveaus und der Gassenbreite die Zahl der pro lfd.m angeschnittenen Augen auch bei Verringerung des Stockabstands gleich, aber die Zahl der Stämme und damit auch Wasserschosse nimmt zu, zumal mit einer Steigerung der Wuchskraft zu rechnen ist, was auch die Austriebsrate sowie die Neigung zur Bildung von Doppeltrieben und Geiztrieben in die Höhe steigen lässt. Ein besonders sorgfältiges Ausbrechen ist demnach unverzichtbar. Im Hinblick auf die Arbeitswirtschaft ist zwischen zeilengebundenen Arbeiten (Pflanzenschutz, Bodenpflege, Düngung, Laubschnitt etc.) und stockgebundenen Arbeiten (Rebschnitt, Biegen) zu unterscheiden. Insbesondere bei Letztgenannten ist mit einem Anstieg des Arbeitszeitbedarfs zu rechnen. Hinzu kommt, dass diverse Arbeiten erschwert (z.B. mechanische Unterstockpflege) oder verstärkt notwendig werden (z.B. Teilentblätterung, Ausbrechen). Nicht zu unterschätzen sind auch die Mehrkosten im Rahmen der Neuanlage. Allein die höheren Bewirtschaftungskosten und Bewirtschaftungserschwernisse machen deutlich, dass das System nur dann erwägenswert ist, wenn hochpreisige „Premium-Produkte“ Ziel der Bemühungen sind. Zusammenfassend lässt sich feststellen:
Größere Pflanzdichten können demnach sowohl Fortschritt wie Rückschritt sein. Keineswegs sind sie ein Patentrezept zur Qualitätssteigerung und auch keine Garantie für hohe Qualitäten. Deutlich von der Norm abweichende Pflanzdichten sind jedoch als zusätzliches Werkzeug bei der Optimierung der weinbaulichen Anbautechnik im Sinne der Weinqualität zu betrachten. Inwieweit dieses Werkzeug hilfreich ist, hängt von der individuellen Situation ab. Eine generelle Empfehlung für oder gegen eine Dichtpflanzung wird den komplizierten Zusammenhängen nicht gerecht. Eine Aussage über Sinn oder Unsinn dieser Maßnahme lässt sicht nur treffen, wenn die geologischen, klimatischen und topografischen Standortbedingungen sowie die Zielsetzungen des Winzers und die Rahmenbedingungen der Anbautechnik bekannt sind. |
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