Reaktion der Anbautechnik auf veränderte klimatische Bedingungen

Vortrag anläßlich der 52. Kreuznacher Wintertagung 2008

Das Thema Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt wird zur Zeit in allen Medien intensiv behandelt. Auch im Weinbau sind die Folgen bereits deutlich erkennbar. Reifeverfrühung, Ausbreitung wärmeliebender Schädlinge und Krankheiten, Abnahme der Frosttage, Zunahme von Hitzeperioden, Starkregen- und Hagelereignissen sind nur einige der Auswirkungen des Klimawandels. Es stellt sich die Frage, wie die Anbautechnik auf diese Veränderungen zukünftig reagieren kann. Da eine Rebanlage eine Standdauer von 25 bis 30 Jahren hat, sind kurzfristige Umstellungen in der Bewirtschaftung nur begrenzt möglich. Dies bedeutet, dass längerfristige Strategien entwickelt werden müssen, ohne derzeit genau zu wissen, wie sich das Klima in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich entwickelt. Zukünftige Anpassungen werden sich im Wesentlichen auf die Rebsorten- und Unterlagenwahl, die Standortwahl, das Erziehungssystem, die Laubwandstruktur und die Bodenpflege auswirken.

Die globale Erderwärmung hat in den letzten 20 Jahren mächtig an Tempo zugelegt. Waren in den 80er Jahren noch 6 Jahre relativ kühl und nur 4 Jahre als warm zu bezeichnen, so gab es ab 1988, mit Ausnahme von 1996, nur noch Jahre mit überdurchschnittlicher Jahrestemperatur. Seit 1900 hat nach Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes in Rheinland-Pfalz die Temperatur um 0,6°C im Winter und um 1,3° C im Sommer zugenommen. Dabei zeichnet sich bei den Niederschlägen ein Trend zu feuchteren Wintern, aber deutlich trockeneren Sommern ab. Als Folge davon kommt es bei den phänologischen Entwicklungsstadien der Rebe zu einer zunehmenden Verfrühung (Abb1). Bisher profitiert der deutsche Weinbau von dieser Entwicklung. Extreme Ausfälle durch Frost oder Verrieselungen, wie sie in früheren Jahrzehnten häufig auftraten, scheinen der Vergangenheit anzugehören, ebenso wie das Problem einer unzureichenden Reife der Trauben. Gute bis sehr gute Qualitäten sind in den letzten Jahren nicht mehr die Ausnahme, sondern zur Regel geworden. Dies hat auch zu einem Imagegewinn und zu einer gestiegenen Nachfrage deutscher Weine geführt. Im Moment haben wir für den Weinbau ein weitgehend optimales Klima, wie die Reifeverläufe des Rieslings am Standort Bad Kreuznach zeigen (Abb. 2). Die frühere und höhere Reife ist anhand der gestiegenen Sonnenscheinstunden erklärbar (Abb. 3). Lagen die durchschnittlichen Sonnenscheinstunden in Bad Kreuznach bis Ende der 80er Jahre noch bei 1495, so erfolgte in den 90er Jahren ein deutlicher Anstieg auf 1740 und in den 2000er Jahren einweiterer Anstieg auf 1931 Stunden. Bisher überwiegen die positiven Aspekte des Klimawandels und größere Umstellungen in der Anbautechnik sind bisher nicht zwingend erforderlich. Dies kann sich aber schon in naher Zukunft ändern. Nämlich dann, wenn Ausnahmejahre wie 2003 zur Regel werden. Dann wird in vielen Lagen und auch bei bestimmten Rebsorten ein Umdenken in der Kulturführung erfolgen müssen.


Rebsorten- und Unterlagenwahl
Die globale Erwärmung ermöglicht mittlerweile auch in Deutschland den Anbau von Rebsorten mit einem höheren Wärmebedarf, wie Chardonnay, Sauvignon Blanc oder Cabernet Sauvignon. Besonders Sauvignon Blanc hat aufgrund seines breiten Aromenspektrums das Interesse vieler Winzer geweckt. In Rheinhessen sind bereits 84 Hektar und in der Pfalz schon über 100 Hektar mit dieser Rebsorte bestockt und dies mit stark steigender Tendenz. Es ist allerdings fraglich, ob diese spezifisch „südländischen“ Sorten in größerem Umfang bei uns einen Markt finden werden. Deshalb sollte es zunächst vorrangiges Ziel sein, die erfolgreichen deutschen Rebsorten den klimatischen Entwicklungen so gut wie möglich anzupassen. Dabei ist auch die Unterlagenwahl neu zu überdenken. Später abreifende und trockentolerantere Unterlagen werden bei zunehmender Erwärmung an Bedeutung gewinnen. Derzeit werden solche Unterlagen auf ihre Eignung, insbesondere ihre Standortverträglichkeit, geprüft. Wie das Beispiel Börner zeigt, haben trockentolerantere Unterlagen in der Regel Probleme auf schwereren, kühleren Böden und neigen auf solchen Standorten schnell zur Chlorose.

Wahl der Lage
Auch die Wahl der Lage wird zukünftig einen anderen Stellenwert bekommen. War in früheren Jahrzehnten der „Lichtgenuss“ der begrenzende Faktor bei der Reife, so kann es zukünftig die Wasserversorgung und eine zu extreme Sonneneinstrahlung sein. Momentan sind die besonders sonnenexponierten Lagen noch die „Top-Lagen“. Die gute Besonnung dieser Standorte bringt eine bessere Reife und damit qualitative Vorteile. Bei weiterer Erwärmung in der Vegetation werden diese Lagen aber zunehmend Probleme bekommen. Frühzeitiger Trockenstress, Reifeverfrühung mit erhöhtem Botrytisrisiko, starker Äpfelsäureabbau, vermehrte Sonnenbrandgefahr und erhöhtes Risiko von Petrolnoten beim Riesling durch Carotinoidbildung können sich qualitativ sehr nachteilig auswirken. Nordhänge, sowie stärker beschattete oder höher gelegene Lagen hatten in der Vergangenheit das Problem der schlechteren Reife. Zukünftig werden sich aber die geringere Evapotranspiration, die spätere Reife und der langsamere Säureabbau dieser Lagen qualitätsfördernd auf die Weine auswirken (Abb. 4). Schon in wenigen Jahren könnte die heute zweitbeste Lage die beste sein. Deshalb sollte der Winzer bei der Wahl der Standorte, soweit es möglich ist, vorausschauend planen und eine gewisse Risikostreuung betreiben. Ein Beispiel für den Einfluss des Standorts auf den Reifeverlauf beim Riesling zeigt die Abb. 5. Die Lage Bockenauer Stromberg, am Fuße des Soonwaldes gelegen, hat Ende August gegenüber dem Kreuznacher Kahlenberg ein Reiferückstand von 20° Oe bei 6 g/l Säure mehr. Während des weiteren Reifeverlaufs gleichen sich die Werte der beiden Standorte an. Die frühere Reife in Bad Kreuznach brachte auch einen früheren Botrytisbefall, sodass die Anlage mit 92° Oe am 09. Oktober geerntet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Bockenauer Riesling noch sehr gesund, was eine deutlich spätere Lese ermöglichte (22. Okt.). Die spätere Reife bei geringeren Temperaturen begünstigt die Aromenentwicklung und hemmt einen raschen Säureabbau. Verantwortlich für den unterschiedlichen Reifeverlauf sind die klimatischen Bedingungen. Die mittleren Temperaturen in der Vegetation (April – Okt.) betrugen in Bad Kreuznach 15,8° C und in Bockenau war es mit 14,7 °C um 1,1 °C kühler. Dagegen waren die Niederschläge in diesem Zeitraum in Bockenau mit 427 mm um 94 mm höher als in Bad Kreuznach. Dies entspricht etwa der Summe von 2 Monatsniederschlägen an der Nahe. Nicht nur die spätere Reife, sondern auch die bessere Wasserversorgung begünstigt den Bockenauer Stromberg gegenüber dem Kreuznacher Kahlenberg bei einer weiteren Erwärmung des Klimas.

Das Erziehungssystem
Aufgrund der guten Belichtung, Belüftung und Mechanisierbarkeit hat sich die Spaliererziehung im Drahtrahmen in Deutschland durchgesetzt. Zukünftig könnten Erziehungssysteme, die eine stärkere Beschattung und damit auch eine Reifeverzögerung bewirken, an Bedeutung gewinnen. In Frage kommt hier in erster Linie der Minimalschnitt. Er weist sehr viele Merkmale auf, die bei zunehmender Erwärmung positiv sind. Im Einzelnen sind dies:
  • Reiferückstand.
  • Geringere Fäulnisanfälligkeit durch lockere Trauben und kleine Beeren.
  • Späte Lese möglich, dadurch geringere UTA-Gefahr.
  • Langsamerer Mostgewichtsanstieg und Säureabbau.
  • Weine oft etwas säurebetonter, duftiger und „schlanker“.
  • Geringere Gefahr von Sonnenbrand durch höhere Traubenbeschattung.
  • Geringerer Escabefall durch Nichtschnitt.

Ein Beispiel für den unterschiedlichen Reifeverlauf beim Riesling zwischen Minimalschnitt und Spaliererziehung zeigt die Abb. 6. Das Mostgewicht beim Minimalschnitt lag in der nicht ausgedünnten Kontrolle in der Reifephase 10 bis 15° Oe niedriger als bei der Spaliererziehung. Durch die spätere Lese konnte die Differenz auf 7° Oe reduziert werden. Mit 85° Oe und 9,2 g/l Säure und immerhin 215 kg/ar wurde, was Mostgewicht und Säure anbelangt, für 2007 ein Wunschergebnis erzielt. Es mangelte 2007 beim Riesling nicht an „dicken“ Spät- und Auslesen, sondern an leichteren, fruchtigen Kabinettweinen mit einer reifen Säure. Dies war mit dem Minimalschnitt leichter realisierbar als mit der Spaliererziehung. Weiterhin sprechen auch die betriebswirtschaftlichen Daten für den Minimalschnitt. Mit nur 50 bis 60 Akh/ha können gegenüber der Spaliererziehung mindestens 75 Prozent an Arbeitszeit eingespart werden. Dies macht sich auch bei den Kosten der Traubenproduktion bemerkbar. Die Einsparung liegt hier bei rund 25 Prozent, was etwa 20 bis 25 Cent/Liter entspricht.

Minimalschnitt gut regulierbar
Das größte Problem beim Minimalschnitt sind wohl die mitunter recht hohen Einzelstockerträge. Pro laufenden Meter Zeilenlänge sind 80 bis 150 Trauben keine Seltenheit, was häufig Erträge von weit über 200 kg/ar zur Folge hat. In kühleren Jahren oder bei früher Ernte führt dies zu unreifen, unharmonischen Weinen. Der Wunsch nach einer vom Arbeits- und Kostenaufwand vertretbaren, aber wirksamen Ertragsregulierung ist daher verständlich. Am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück wird seit 2003 der Minimalschnitt sehr erfolgreich mit dem Traubenvollernter ausgedünnt (Abb.7). Dabei werden im ES Erbsengröße über die gesamte Laubwand einzelne Trauben, Traubenteile und Einzelbeeren herausgeschlagen. Dies bewirkt eine weitere Auflockerung der Trauben und der Laubwand. In Abhängigkeit vom Ertragsniveau der Anlage wird eine Ausdünnquote von 30 bis 50 % angestrebt. Wie die Reifekurve in Abb. 6 zeigt, wird damit ein Reifeverlauf vergleichbar der Spaliererziehung erreicht. Durch die spätere Ernte konnte 2007 sogar ein um 4° Oe höheres Mostgewicht erzielt werden. Eine andere Form der Vollernterausdünnung beim Minimalschnitt ist die Bandausdünnung. Dabei werden nur im unteren Teil der Laubwand die Trauben herausgeschlagen. Dafür aber möglichst alle Trauben, was eine relativ hohe Schlagfrequenz bedingt. Da die Trauben im unteren Laubwandbereich stärker beschattet sind, entfernt man bei der Bandausdünnung in erster Linie die Trauben mit dem größten Reiferückstand und belässt die besser besonnten Trauben im oberen Bereich. Durch das vollständige Abschlagen der unteren Trauben ist die Bandausdünnung auch weniger termingebunden. Die Durchführung sollte aber vor Reifebeginn abgeschlossen sein. Hinsichtlich der Regulierungswirkung und der Reifeförderung ergeben sich bei sachgerechter Einstellung des Ernters zwischen beiden Verfahren keine nennenswerten Unterschiede.

Die Laubwandgestaltung
Die Besonnung der Traubenzone ist für die Qualität und Gesundheit der Trauben von großer Bedeutung. Deshalb spielt die Laubwandgestaltung und damit verbunden auch die Gassenbreite eine wichtige Rolle. Derzeit geht man davon aus, dass der lichte Abstand zwischen zwei Laubwänden mindestens so groß wie die Laubwandhöhe sein soll. Die unter Belichtungsaspekten sinnvolle Mindestgassenbreite ergibt sich aus dem Laubwandabstand plus der Laubwanddicke. Bei einem notwendigen Laubwandabstand von 1,2 bis 1,4 m und einer Laubwanddicke von etwa 0,4 m ergibt sich eine Mindestgassenbreite von 1,6 bis 1,8 m. Ein optimaler Maschineneinsatz erfordert derzeit Gassenbreiten um 2,0 m im Direktzug und um 1,8 m im Seilzug. Damit stimmen momentan die verfahrenstechnischen Bedürfnisse und die pflanzenphysiologischen Anforderungen sehr gut überein. Bei fortschreitender Erwärmung wird ein geringeres Blatt/Frucht-Verhältnis (BFV) ausreichend sein. Dies wird auch auf vielen Standorten sinnvoll sein, da mit einer Blattzahlreduzierung auch ein geringerer Wasserbedarf einhergeht.
Deshalb muss man auch über Veränderungen in der Anbautechnik nachdenken. Diese betreffen sowohl die Laubwandgestaltung als auch die Gassenbreite. Die Abb. 8 zeigt den Einfluss der Trieblängenreduzierung beim Riesling 2007. Die starke Triebeinkürzung auf 85 cm nach dem zweiten Laubschnitt brachte zwar ein geringeres Mostgewicht und höhere Säure, aber die Unterschiede zur derzeit empfohlenen Trieblänge von etwa 1,20 m waren nicht sehr groß. Sollte sich mit zunehmender Erwärmung ein geringeres BFV und damit eine geringere Trieblänge als günstiger erweisen, so bedarf es parallel dazu auch einer Anpassung der Gassenbreite, ansonsten wäre die Besonnung des Bodens und der Traubenzone zu extrem. Dies hätte einschneidende Konsequenzen für die Verfahrenstechnik. Sicherlich ist momentan der Schmalspurschlepper optimal unserer Zeilenbewirtschaftung angepasst und daher nahezu konkurrenzlos. In einigen Jahren könnte sich dies allerdings ändern. Überzeilenschlepper (Abb. 9) könnten sich dann in der Bewirtschaftung der Rebanlagen als vorteilhafter erweisen. Durch die Möglichkeit der mehrzeiligen Arbeitsweise sind Überzeilenschlepper auch derzeit für den deutschen Weinbau schon interessant, aber die veränderten Anbauräume und häufig auch das Fehlen einer Zapfwelle machen entsprechende Umstellungen im Maschinenpark notwendig, was zusätzliche Kosten verursacht und momentan einer größeren Verbreitung dieser Technik bei uns noch im Wege steht.


Die Entblätterung
Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung des BFV ist die Entblätterung der Traubenzone. Eine moderate Teilentblätterung der Traubenzone ist mittlerweile aufgrund der besseren Traubengesundheit in vielen Betrieben schon Standard. Zukünftig könnte man geneigt sein, die Traubenzone noch intensiver zu entblättern bzw. sogar vollständig frei zu stellen. Tabelle 1 zeigt ein entsprechendes Versuchsergebnis beim Riesling in 2007.


Tab. 1: Vergleich zwischen nicht entblätterter und vollständig entblätterter Traubenzone beim Riesling 2007


Riesling 2007
Nicht entblättert
Traubenzone vollständig entblättert
MG
85° Oe
82° Oe
Säure
11,4 g/l
11,6 g/l

Auch in diesem Versuch brachte die Totalentblätterung der Traubenzone ein etwas geringeres Mostgewicht und etwas höhere Säure. Eine allzu intensive Entblätterung ist allerdings kritisch zu bewerten, da sie auch mit erheblichen Nachteilen verbunden sein kann, wie:
  • Geringere N-Gehalte im Most.
  • Erhöhte Phenolgehalte bei Weißweinen.
  • Erhöhte Carotinoidbildung, insbesondere beim Riesling, was die Gefahr von Petrolnoten erhöht.
  • Starker Äpfelsäureabbau.
  • Erhöhtes Sonnenbrandrisiko.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wegnahme von Blättern im Stockinneren nur manuell zu bewerkstelligen ist, was einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand bedeutet. Eine gute Belichtung und Abtrocknung der Traubenzone ist aus Sicht der Traubengesundheit unbedingt zu empfehlen, allerdings muss eine extreme Besonnung durch eine zu intensive Entblätterung vermieden werden.

Die N-Düngung
Trockenstress macht sich sehr schnell in einer verminderten Wuchsleistung bemerkbar. Stickstoffdüngung wird hier häufig als bewährtes Mittel zur Förderung der Wuchskraft angesehen. Längere Trockenphasen im Frühsommer erschweren die Löslichkeit und Aufnahme von mineralischem Stickstoff. Das Risiko, dass unter solchen Bedingungen der Stickstoff nicht langsam und kontinuierlich, sondern schubartig freigesetzt und aufgenommen wird, wird durch einen Wechsel von Trockenphasen und Starkregenereignissen erhöht. Wie das Jahr 2006 gezeigt hat, fördert eine späte N-Freisetzung den Botrytisbefall enorm. Deshalb ist eine bedarfsgerechte N-Versorgung über die gesamte Vegetation anzustreben. Dieser Forderung kommt die AHL-Unterflurdüngung nach dem Cultan-Verfahren am nächsten (Abb. 10). Den Begriff „CULTAN“ prägte Prof. Dr. K. Sommer / Universität Bonn. Das Wort ist eine Abkürzung für den englischen Ausdruck:
Controlled Uptake Long Term Ammonium Nutrition.
Er beinhaltet, dass gegenüber Nitrat bei konventioneller N-Düngung das Ammonium beim Cultan-Verfahren die dominierende N-Quelle für die Pflanzen ist.
Das Prinzip des CULTAN - Verfahrens beruht auf der Platzierung von überwiegend NH4-haltigen flüssigen N-Düngemitteln im Wurzelraum der Pflanzen, so dass der benötigte Stickstoff in einer pflanzenverfügbaren, aber nicht verlagerbaren Form angeboten wird.

Gegenüber der konventionellen N-Düngung mit gleichmäßiger Düngerverteilung auf der Fläche erfolgt die N-Versorgung in Form von wurzelnah platzierten, räumlich konzentrierten Ammonium-Depots, weshalb man auch von einer Ammonium-Depotdüngung spricht. Die Düngung erfolgt punkt- oder bandförmig, wobei im Weinbau aus verfahrenstechnischer Sicht eine bandförmige Platzierung einfacher durchführbar ist. Die Pflanzenwurzeln müssen an das Ammonium als Stickstoffquelle heranwachsen und es von den Randflächen her erschließen. Dabei bildet sich ein dichtes Wurzelgeflecht um das Ammoniumdepot. Die Aufnahme des Ammoniums reguliert die Pflanze selbst durch den Kohlenhydratstoffwechsel. Eine Stabilisierung des Depots wird weiterhin erreicht, weil Ammonium im Boden wenig beweglich ist und nicht in tiefere Schichten verlagert wird und die hohen Ammoniumkonzentrationen auf nitrifizierende Bakterien toxisch wirken. Zusätzlich besteht die Möglichkeit Nitrifikationshemmer einzusetzen. Dadurch werden Nitrifikationsvorgänge über einen längeren Zeitraum unterbunden und Stickstoffverluste aus dem Depot vermieden.

Auch die organische Düngung, insbesondere mit Biokomposten, hat bei vielen Betrieben mittlerweile einen hohen Stellenwert (Abb. 11). Dabei steht nicht unbedingt der Nährstoffwert dieser Dünger im Vordergrund, sondern es sind in erster Linie die bodenphysikalischen Eigenschaften, wie eine bessere Durchlüftung und vor allem eine bessere Wasserspeicherung. Diese Vorteile sind aber mit Mengen wie sie nach der Bioabfall-Verordnung erlaubt sind, nur bedingt zu erreichen. Stark humose Böden mit Humusgehalten zwischen 4 und 7 Prozent sind im Weinbau mittlerweile keine Seltenheit mehr und zeugen von deutlich überzogener organischer Düngung (Abb. 12). Das damit eine immense N-Freisetzung mit gravierenden ökologischen Problemen, sprich Nitratauswaschung, einhergeht kann, scheint vielen Betriebsleitern offensichtlich nicht bewusst zu sein bzw. es scheint sie nicht sonderlich zu kümmern. Auch aus qualitativen Gesichtspunkten sollte man eine Düngung mit N-haltigen organischen Düngern nicht übertreiben. Zunehmend wärmere Bodentemperaturen bis in den Herbst fördern die N-Mineralisation. Dies kann noch sehr hohe N-Schübe in der Reifephase auslösen. Kommt dann noch eine Nässephase hinzu, so gibt es für Botrytis & Co. kein Halten mehr. Das Fäulnisrisiko steigt dramatisch und gefährdet die Qualität des Erntegutes.

Die Bodenpflege
Auch die Bodenpflege muss auf den Klimawandel reagieren. Dabei wird man sich von den bisher weitgehend starren Bodenpflegesystemen verabschieden müssen. Zukünftig sind folgende Veränderungen denkbar:
  1. Höhere Flexibilität bei der Bodenpflege im Frühjahr und Sommer.
  2. Unterschiedliche Bodenbewirtschaftung im Frühjahr, Sommer und Herbst/ Winter.
  3. Stärkere Beschattung des Bodens, insbesondere auf austrocknungsgefährdeten Standorten.

Die Bodenpflege im Frühjahr und Frühsommer muss zum Ziel haben, die Bodenwasservorräte zu schonen, den Trockenstress zu reduzieren und die N-Versorgung für die Vegetation sicher zu stellen. Dazu sind folgende Maßnahmen zu beachten:
  • Winterbegrünungen, ob eingesät oder natürlich, sind in Abhängigkeit vom Wuchs rechtzeitig zu mulchen. Die Mulchschicht kann einige Zeit belassen werden um die Wasserverdunstung des Bodens zu reduzieren und auflaufende Unkräuter zu unterdrücken. Eine flache Einarbeitung fördert die Mineralisation und unterstützt die Nährstoffversorgung der Reben. In vielen Fällen ist dadurch eine zusätzliche N-Düngung überflüssig.
  • Offene Gassen sind nur flach zu bearbeiten. Die Bearbeitung dient in der Kapillarzerstörung und reduziert damit die Wasserverdunstung des Bodens. Weiterhin wird der Unkrautbewuchs reguliert und die Mineralisation angeregt.
  • Von einer allzu häufigen und auch tieferen Bearbeitung (>15 cm) ist abzuraten. Erhöhte N-Freisetzungen und eine höhere Wasserverdunstung sind die negativen Folgen. Leider verleiten die modernen Universalgrubber mit starren Werkzeugen in Verbindung mit der mittlerweile üblichen hohen Motorleistung der Schlepper allzu leicht zu einer übertriebenen Bearbeitungsintensität.
  • Dauerbegrünungen sind kurz zu halten, um den Wasserverbrauch der Begrünungspflanzen möglichst gering zu halten.
  • Auf wassergestressten Standorten kann auch eine Bewuchsstörung von Dauerbegrünungen mit Flügelscharen, Scheibensechen, Zinkenrotoren oder Fräsmessern sinnvoll sein. Allerdings muss dieser Eingriff frühzeitig, d.h. vorbeugend erfolgen. Hat bereits starke Trockenheit eingesetzt, sind die Werkzeuge kaum noch in der Lage in die verhärteten Böden einzudringen. Außerdem ist bei bereits sichtbarem Trockenstress mit dieser Maßnahme bestenfalls noch eine gewisse Linderung zu erreichen.

Bei der Bodenpflege im Hoch- und Spätsommer stehen andere Ziele im Vordergrund. Neben einer Schonung der Bodenwasservorräte muss jetzt darauf geachtet werden, dass die Mineralisation nicht zu sehr gefördert wird. Größere N-Freisetzungen in der Reifephase wären fatal für die Traubengesundheit. Zunehmend wird auch die Erosion, selbst in relativ flachen Lagen, zu einem Problem. Deshalb sollte, so gut es geht, für erosionshemmende Maßnahmen gesorgt werden. Im Hinblick auf eine maschinelle Ernte mit dem Traubenvollernter ist auf eine entsprechende Tragfähigkeit des Bodens zu achten. Daraus resultieren folgende Empfehlungen:
  • Bodenbearbeitung nur flach und bei anhaltender Trockenheit mit dem Ziel der Kapillarzerstörung.
  • Bei ausreichender Bodenfeuchte ist ein geringer Unkrautbewuchs zu tolerieren. Stärkerer und höherer Bewuchs sollte gemulcht werden. Eine Einarbeitung hat zu unterbleiben.
  • Alternativ kann Unkrautbewuchs auch mit einem Blattherbizid abgespritzt werden. Dies bietet gegenüber einer Bearbeitung einen besseren Erosionsschutz und eine geringere Mineralisation.
  • Ab Anfang August ist jegliche Bodenbearbeitung einzustellen um die Mineralisation nicht zusätzlich anzuregen.
  • Offene Zeilen sollte man ab Ende Juli/Anfang August natürlich begrünen lassen oder Mitte August bis Anfang September mit einer Winterbegrünung (Raps) einsäen. Eine intensive Saatbettvorbereitung sollte jedoch unterbleiben.

Die größten ökologischen Schäden werden bei der Herbst- und Winterbodenbearbeitung angerichtet. Nach wie vor wird eine Vielzahl von Weinbergen während oder nach dem Herbst nochmals bearbeitet. In aller Regel intensiv und meist auch tief (Abb. 13). Dies fördert nicht nur die Erosion, sondern bedingt durch die milden und feuchten Winter werden auch die Mineralisation und damit die N-Freisetzungen verstärkt. Da in diesem Zeitraum keine N-Aufnahme durch Pflanzen erfolgt, sind höhere Auswaschungsverluste in Form von Nitrat vorprogrammiert. Die Abbildung 14 verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen Bodentemperatur, N-Mineralisation und N-Verluste. Die globale Erwärmung führt zu einer Erhöhung der Bodentemperatur, wodurch bis in den Winter mit einer Mineralisation zu rechnen ist. Dies ist an den hohen Nmin-Werten im Frühjahr der Jahre 2004 bis 2006 gut erkennbar. Dagegen waren in dem Jahr 2001 mit ebenfalls hohen Bodentemperaturen die Nmin-Werte im Frühjahr deutlich geringer. Die Unterschiede sind durch die Höhe der Winterniederschläge erklärbar. Die niedrigen Winterniederschläge der Jahre 2004 bis 2006 führten auch zu einer geringeren N-Verlagerung, wogegen hohe Winterniederschläge, wie 2001 bis 2003 die Nitratauswaschung beschleunigen. Treffen die Prognosen der Klimaforscher, die mildere und feuchtere Winter voraussagen, zu, so wird die Nitratproblematik über Winter in den Weinbergen deutlich zunehmen. Dies bestätigen auch Untersuchungen im Wasserschutzgebiet von Bad Kreuznach, wo seit 2004 in 24 Weinbergen im April und November die Nmin-Gehalte ermittelt werden (Abb. 15). Die Nmin-Mittelwerte dieser Parzellen zeigen im November erschreckend hohe Gehalte, wobei die Trendlinie deutlich nach oben zeigt. Zum April -Termin ist immer eine mehr oder weniger starke Abnahme festzustellen, was auf eine entsprechende N-Verlagerung hinweist. Zudem forcieren regelmäßige Bodenbearbeitungen auch den Humusabbau, wie Untersuchungen am DLR Mosel gezeigt haben (Abb. 16).
Besonders auf leichten, gut erwärmbaren Böden sind die Abbauraten sehr hoch. Neben entsprechenden N-Freisetzungen und N-Verlusten werden dadurch auch hohe CO2-Mengen freigesetzt, die in die Atmosphäre entweichen und ebenfalls zur globalen Erwärmung beitragen. Auch aus diesem Grund sind Bodenbearbeitungen auf das notwendige Maß zu beschränken. Dazu gehören keinesfalls Herbst- und Winterbearbeitungen. Ein Umdenken in dieser Hinsicht ist deshalb im Weinbau dringend geboten.
  • Eine Herbst- oder Winterbearbeitung ist aus ökologischer Sicht unverantwortlich.
  • Wo Verdichtungen behoben werden müssen, sollte dies möglichst erst im März oder April erfolgen.
  • Eine Begrünung jeder Zeile über Winter, ob eingesät oder natürlich, ist zukünftig ein Muss! (Abb. 17).



Austrocknungsgefährdete Standorte
In sonnenexponierten Lagen mit leichten, gut erwärmbaren Böden werden die Folgen der Klimaerwärmung besonders deutlich zu spüren sein. Hohe Sonneneinstrahlung, starke Bodenerwärmung und hohe Wasserverdunstung bei schlechter Bodenwasserspeicherung werden den Reben mächtig zusetzen. Will man diese, größtenteils qualitativ sehr wertvollen Standorte weiter halten, so sind Maßnahmen zur Verminderung der Evapotranspiration, der Erhöhung der Wasserspeicherung und der Reduzierung der Sonneneinstrahlung wichtige Voraussetzungen. Abdeckungen mit grobem, N-armem organischen Material, wie Holzhäcksel oder Stroh bieten gute Möglichkeiten die Bodenfeuchte besser zu konservieren, den Oberflächenabfluss zu vermindern und die Bodentemperaturen besser zu regulieren. Deshalb werden auf diesen Standorten Abdeckungen eine Schlüsselfunktion einnehmen. Abdeckungen allein werden aber kaum ausreichend sein. Eine stärkere Beschattung des Bodens und auch der Traubenzone sind ebenfalls erforderlich. In diesem Zusammenhang muss die Gassenbreite neu diskutiert werden. Auch vor dem Hintergrund, dass zukünftig ein geringeres Blatt/Frucht-Verhältnis und damit geringere Trieblängen ausreichend sind, können Gassenbreiten von 1,80 bis 2,00 m aus pflanzenphysiologischer Sicht auf diesen Standorten nicht mehr als optimal angesehen werden. Da diese Lagen vornehmlich mit Riesling bestockt sind, würde bei dieser Rebsorte, neben einem starken Säureabbau, wohl auch der Carotinoidgehalt in den Beeren steigen. Diese werden als Schutz vor zu viel Sonneneinstrahlung in die Beerenhaut eingelagert (RUDY 2007). Die für reife Rieslingtrauben typische goldgelbe Färbung rührt daher. Carotinoide sind allerdings nicht sehr stabil und werden u. a. in TDN ( 1,1,6 – Trimethyl – 1,2 – Dihydronaphtalin) umgebaut. Diese Substanz riecht in höheren Konzentrationen nach Petroleum oder Kerosin. Die Petrolnote wird zwar von gewissen Weinfreunden als rieslingtypische Firne geschätzt, passt aber nicht unbedingt in das gegenwärtige Geschmacksbild des Rieslings. Diese Veränderung in der Aromatik bedeutet einen Verlust der Typizität und damit auch des Terroircharakters.

Bewässerung
Mit zunehmender Trockenheit steigt die Bewässerungswürdigkeit im Weinbau. Bei fachgerechter Anwendung ist eine Zusatzbewässerung eine geeignete Maßnahme zur Sicherung und Steigerung der Weinqualität. Allerdings ist es fraglich, ob jeder Winzer über die entsprechenden Kenntnisse und Instrumentarien verfügt, eine Bewässerung ausschließlich im Sinne einer Qualitätssteigerung oder –sicherung einzusetzen. Die Gefahr, dass kontraproduktive Wirkungen, wie höherer Ertrag, u. U. sogar erhöhte Wuchsleistung, mehr Botrytis, etc. aus Unkenntnis pflanzenphysiologischer und bodenkundlicher Zusammenhänge ausgelöst werden, ist groß.
Da die Wasserbeschaffung in den meisten Regionen auf Probleme stößt und mit einem zusätzlichen Arbeitsaufwand, sowie nicht unbeträchtlichen Kosten verbunden ist, sollten zunächst die bereits beschriebenen Maßnahmen zur Minderung von Wasserstress ausgeschöpft werden, wie:
  • Ausreichende, aber nicht überzogene, Humusversorgung.
  • Bodenabdeckung.
  • Kapillarzerstörung durch flache Bodenbearbeitung.
  • Kurzhalten der Begrünung.
  • Zeitige Bewuchsstörung der Begrünung.
  • Stockbelastung reduzieren.
  • Laubwandhöhe reduzieren.

Eine Zusatzbewässerung in größerem Umfang scheitert häufig an der Wasserbeschaffung. Die Entnahme aus dem öffentlichen Trinkwassernetz ist, trotz einer gewährten Befreiung von Abwassergebühren, relativ teuer. Auch wird nicht jeder Wasserversorger in trockenen Sommern, bei einem allgemein höheren Verbrauch und sinkendem Grundwasserstand, eine Entnahme zur Bewässerung von Weinbergen gestatten. Der Bezug aus Bächen oder Flüssen bedarf der Genehmigung der unteren oder oberen Wasserbehörde, je nach Gewässereinstufung. Da in Trockenzeiten auch der Wasserstand von Bächen und Flüssen stark herabgesetzt ist und zusätzlich größere Wasserentnahmen dieses Ökosystem weiter belasten würden, wird in aller Regel keine Genehmigung erteilt. Eine Möglichkeit, die bisher noch wenig genutzt wird, ist das Auffangen und Sammeln von Niederschlägen (Abb. 18). Dies ist sinnvoll, denn durch die Zunahme der Winterniederschläge und der Starkregenereignisse steigt auch die Hochwassergefahr. Das Anlegen von Staubecken in den Gemarkungen könnte also nicht nur Helfen die Wasserversorgung der Reben zu verbessern, sondern auch einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten.

Reaktion der Anbautechnik auf veränderte klimatische Bedingungen.pdf

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